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Juni 2024

Neue Heimat fürs Mundartarchiv

Umzug Sprachliche Vielfalt zeigen und bewahren: Die Sammlung mit Literatur und Objekten deutscher Dialekte ist jetzt in der PH Weingarten zu finden.
Von Raimund Weible
 

Das Württembergische Mundartarchiv hat eine neue Heimat. Die Sammlung mit Literatur und Objekten deutscher Dialekte wanderte von einem ehemaligen Kloster zu einem anderen ehemaligen Kloster, von Bad  Schussenried im Landkreis Biberach nach Weingarten im Kreis Ravensburg.

Dort ist es im Fruchtkasten der Benediktiner untergebracht, der auch seit einiger Zeit die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule (PH) Weingarten beherbergt. Wurde es bisher „Zentrales Württembergisches Mundartarchiv“ genannt, heißt es jetzt „Württembergisches Mundartarchiv Wilhelm König“. Der Namenszusatz ist eine Reverenz an den Reutlinger Mundartdichter Wilhelm König, der das Archiv gegründet und aufgebaut hat

Bei der Eröffnung sagte der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser: „Das ist ein guter Tag für die PH Weingarten und für Wilhelm König. Das Archiv fügt sich in die erfolgreiche Arbeit der Heimatpflege in Baden-Württemberg ein.“ Und der Bundestagsabgeordnete Michael Donth (CDU) nannte das Archiv einen „Leuchtturm für den schwäbischen Dialekt“. An der PH Weingarten scheint das Archiv gut aufgehoben, beschäftigen sich doch die Studierenden in Seminaren mit dem Dialekt. „Wir setzen uns auf vielen Ebenen damit
auseinander“, bestätigte die Professorin Christiane Hochstadt.

„Krönung des Lebenswerks“
Die Hochschule bemüht sich in der Lehramtsausbildung, Dialekt sprachdidaktisch und sprachkritisch aufzunehmen, die sprachliche Vielfalt des Dialekts aufzuzeigen, diesen zu etablieren und damit einem Verlust an Mehrsprachigkeit entgegenzuwirken. Da hält es Rektorin Karin Schweizer für sinnvoll, das Mundartarchiv in eigenen Räumen zu haben, integriert in die Hochschulbibliothek. Das Archiv verfügt über 8.000 Objekte verschiedenster Art, aber nicht nur Literatur gehört zum Bestand. Tonbanddokumente, Kassetten und Schallplatten mit Mundart-Songs wie von Wolle Kriwanek sind darunter, außerdem Plakate, Aufkleber und Veranstaltungsprogramme.

Und alles nicht nur auf Schwäbisch. König hat immer auf die Pluralität der Dialekte Wert gelegt und auch Werke mit badischer, Schweizer, bayerischer, hessischer oder friesischer Mundart gesammelt. Darunter auch Zeugnisse aus früheren deutschsprachigen Gebieten wie Siebenbürgen, Schlesien oder Ostpreußen.

Der inzwischen 88 Jahre alte König sieht die Einrichtung des Mundartarchivs in Weingarten als „Krönung seines Lebenswerks“. Er selbst gehört zu den Vertretern der sogenannten Neuen Mundartliteratur. Diese Autorinnen und Autoren formten die Dialektliteratur zu einer ernsthaften Gattung. Selbst hat König Romane wie „Näher zum Himmel oder der Fall Karl Simpel“ geschrieben – auf Hochdeutsch –, aber auch Gedichtbände in kernigem Ermstäler Schwäbisch herausgebracht.

Initialzündung seiner Sammelleidenschaft war ein Internationales Treffen der Mundart-Verleger 1978 in Reutlingen an der damaligen PH Reutlingen. Die Verleger versprachen, stets von all ihren Mundart-Titeln zwei Exemplare an König zu schicken, der im gleichen Jahr die Württembergische Mundartgesellschaft gegründet hat. So kam bald eine Basis für die Sammlung zustande.
Er profitierte auch von der Stadtbibliothek Stuttgart, die ihre gesamte schwäbische Sammlung auflöste. „Das kam wöchentlich ein Paket“, erzählt König schmunzelnd. Darunter waren solche Preziosen wie die Vorstufe des schwäbischen Wörterbuchs von Hermann Fischer dem Älteren. Wegen des ständig wachsenden Bestands sah sich König nach einem Ort um, der auch öffentlich zugänglich ist, und der frühere Tübinger Regierungspräsident Hubert Wicker vermittelte ihm Räume im ehemaligen Kloster der Prämonstratenser von Bad Schussenried. Dort nahm das Archiv 1999 auf 300 Quadratmetern Fläche seine Arbeit auf. Zunächst war die PH Weingarten davon ausgegangen, dass das Archiv in Bad Schussenried verbleibt. Der Nachteil des Standorts war jedoch seine Abgelegenheit, außerdem tauchten bauliche Probleme auf. So war der Umzug nach Weingarten folgerichtig.

Juni 2024

Mundart-Archiv von Wilhelm König jetzt in Weingarten

Ein Schatz ist für die Zukunft gesichert: Die Pädagogische Hochschule Weingarten hat das Württembergische Mundart-Archiv von Wilhelm König übernommen. Beim Festakt zur Übergabe glänzt auch der Sohn von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Natürlich auf Schwäbisch.
 
WEINGARTEN/REUTLINGEN. Ein Alleinstellungsmerkmal kann Wilhelm König für sich in Anspruch nehmen: Er sei der einzige Dettinger, nach dem ein Archiv benannt ist, stellt König beim Besuch in der GEA-Redaktion fest. Auch wenn er schon lange in Reutlingen lebt: die Herkunft aus der Dettinger Brühlgasse bleibt unvergessen. Benannt nach ihm ist seit vergangener Woche das »Württembergische Mundartarchiv Wilhelm König«. Es ist nun Teil der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Das ist in Weingarten mit einem Fest gefeiert worden, mit Text-, Musik- und Kabarettvorträgen. Auch Johannes Kretschmann, der Sohn von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, hatte seinen Auftritt. Als Kabarettist, natürlich auf gut Schwäbisch.
 
Seit den 1970er-Jahren ist Wilhelm König Aktivist in Sachen Mundart. Vorreiter war Österreich gewesen, vor allem der Wiener H. C. Artmann. Nach der Nazidiktatur war die deutsche Sprache diskreditiert – der Dialekt hingegen schien unbefleckt. Befeuert durch die 68er-Bewegung entstand eine kritische Dialektliteratur. Auch König trug dazu bei, publizierte Gedichtbände, Romane, die Mundartzeitschrift »Schwädds« gibt er noch heute heraus. In Reutlingen gründete er die Mundartgesellschaft Württemberg. Und König begann, Material zu den deutschen Dialekten zu sammeln: Gedichtbände und Romane, Plakate, Dialektwörterbücher, Tonbandaufnahmen von Dialektsprechern, Schallplatten schwäbischer Liedermacher oder Kabarettisten. In Schwäbisch, Hessisch, Schlesisch, Niederdeutsch, Alemannisch, Fränkisch oder Bayerisch. Die Mundart boomte, andere sammelten ebenfalls, »es war wie ein Wettbewerb«, erzählt König.
Im Rheinland und in Oberschwaben
Drei gingen schließlich daran, ein Mundart-Archiv aufzubauen: König im Südwesten, Ludwig Soumagne im rheinischen Dormagen und Julian Dillier in der Schweiz. Zustande kamen die Archive von Soumagne und König; Dillier, wie Soumagne inzwischen gestorben, übergab seinen Bestand an König. Das Dormagener Archiv ging 1986 an den Start, existiert dort noch heute unter dem Dach des Landkreises. Königs Archiv folgte in den 1990ern. Erst habe er das Material bei sich zu Hause gelagert. Da sich in Reutlingen keine geeigneten Räume fanden, brachte er das Mundart-Archiv auf Vermittlung des damaligen Regierungspräsidenten Hubert Wicker im Neuen Kloster Bad Schussenried unter. Vorher beherbergte der Bau das Zentrum für Psychiatrie.
8.000 Objekte haben sich im Laufe der Jahre angesammelt. Großen Zuwachs bekam die Sammlung, als die Stadtbibliothek Stuttgart sich von ihren Mundart-Beständen trennte und sie König übergab. Darunter befanden sich auch die Aufzeichnungen zur Vorbereitung eines schwäbischen Dialektwörterbuchs aus der Zeit um 1900. Aus der Sicht Königs eines der Glanzstücke der Sammlung.
 
Suche nach fester Lösung
Klar war jedoch, dass es in Bad Schussenried nicht ewig weitergehen konnte. König ist 89, den Vorsitz der Mundartgesellschaft hat er kürzlich an die Metzingerin Jeanette Rzyski-Knab abgegeben. Auch das Mundartarchiv sollte eine feste Bleibe bekommen, möglichst eine, die weniger abgelegen ist. Als sich in Reutlingen erneut keine Möglichkeit auftat, wandte sich König wieder ans Regierungspräsidium. Regierungspräsident Klaus Tappeser habe vorgeschlagen, das Archiv bei der PH Weingarten unterzubringen.
 
An der PH ist Sprach- und Dialektforschung ohnehin ein Thema. Im Fach Deutsch in der Lehramtsausbildung beschäftige man sich intensiv mit der Frage »Darf ich auch Dialekt sprechen?«, sagte PH-Professorin Dr. Christiane Hochstadt zum Auftakt einer Tagungsreihe »Dialekt und Schule« in Bad Schussenried. Zudem gibt es an der PH seit 2019 ein »Zentrum für Mundart«, das sich der Dokumentation und Erforschung der Dialekte widmet sowie »der Förderung der Verwendung von Mundarten insbesondere in Bildungssituationen«, wie es im Statut heißt. Königs Mundart-Archiv ist nun Teil dieses Zentrums.
 
Bewegende Eröffnung
Die Eröffnung des »Württembergischen Mundartarchivs Wilhelm König« wurde in Weingarten im Beisein von Rektorin Karin Schweizer und vielen prominenten Gästen gefeiert. Ihn habe das sehr bewegt, betont König, die Zeremonie sei ihm nahegegangen. Er selbst skizzierte in einer Rede die Entwicklung der Mundartbewegung seit den 1970er-Jahren, die zu diesem Archiv geführt hatte. »Die letzten Stufen sind erreicht«, sagte König in seiner Rede. »Ich bin am Plafond«, formuliert er dem GEA gegenüber – gut Schwäbisch für »an der Decke«. Dass sein Archiv als Teil der PH Weingarten weiterlebt, schließt aus seiner Sicht einen Kreis. Gingen doch, als die PH Reutlingen 1987 geschlossen wurde, nicht wenige Dozenten nach Weingarten.
 
Komplett zur Ruhe setzen will König sich nicht. Die Mundart-Zeitschrift »Schwädds«, die er seit 1980 herausgibt, will er weiter selbst betreuen. Das Problem: Es gebe kaum noch Leute, die Mundart-Literatur schreiben. »Es fehlt an Autoren«, seufzt der Mundart-Aktivist. Die große Zeit der Dialekt-Renaissance sei vorbei. Also wird er wohl selbst wieder zur Feder greifen müssen. Langweilig wird’s ihm auch ohne das Mundart-Archiv nicht. (GEA)

Mai 2024

Mundartgesellschaft Württemberg e. V. wählt neue Vorsitzende

Reutlingen (MgW): In ihrer ordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag,

4. Mai im Alten Rathaus in Reutlingen gab es eine große Veränderung:

Der bisherige 1. Vorsitzende und Gründer der Mundartgesellschaft Württemberg e.V., Wilhelm König, gab sein Amt nach 46 Jahren ab. Als seine Nachfolgerin wurde die in Metzingen lebende Oberschwäbin Jeanette Rzyski-Knab gewählt.

Die „Stabübergabe“ erfolgte in lockerer Atmosphäre.

Wilhelm König wurde aufgrund seiner Verdienste zum Ehrenvorstand gewählt.

Mundartgesellschaft Württemberg e.V.
Eichbergstraße 2
72555 Metzingen
Tel. 07123-3606220

info@wilhelmkoenig.de

 

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